Impuls zum vierten Advent

Die Weihnachtsgeschichte


Bethlehemian Rhapsody (mit der Musik von Queen)

oder „Die Weihnachtsgeschichte XL to go“ (in 8,5 Minuten)

Alle Jahre wieder hören wir die Weihnachtsgeschichte. Wir müssen sie alle Jahre wieder hören. Sie gehört zu Weihnachten. Sie gibt dem Fest seinen Sinn. Der Grund dieses Festes wird in den Gottesdiensten zu Weihnachten erzählt, besungen und gefeiert. Diese Geschichte von Weihnachten bleibt nicht an der Oberfläche, sie geht tiefer. Es ist eine schöne Geschichte und es ist eine radikal menschliche Geschichte – sie handelt von Erfahrungen, wie sie unter uns viele machen: Ein Paar erwartet sein erstes Kind; ihre Beziehung durchläuft eine Krise; sie geraten in die Mühlen der großen Politik; sie werden umher geschoben und dann hat eine Mutter ihr Neugeborenes in den Armen. Die Weihnachtsgeschichte sind drei Geschichten:

Sie ist eine Liebesgeschichte, eine Protestgeschichte und eine Hoffnungsgeschichte.

Sie ist eine Liebesgeschichte Gottes mit dieser, unserer Welt. Gott wird Mensch. Gott kommt zur Welt, weil er diese Welt liebt.
Liebe hält diese Welt im Innersten zusammen. Gesetze regeln, Organisationen funktionieren und Traditionen sind so etwas wie die Statik unserer Existenz – ohne Liebe aber bleibt alles leer. Wenn Menschen keine Liebe erfahren, dann können sie sich nicht entfalten. Wenn in Beziehungen zwischen Menschen die Liebe fehlt, dann bilden sich keine stabilen Beziehungen aus. Das Leben bleibt letztendlich kalt, hart und eigentlich nicht lebenswert. Von der Liebesgeschichte Gottes mit der Welt leben wir. Und diese Liebe hat ein Fest. Weihnachten ist das Fest der Liebe, lebensnotwendig für die Welt.

Sie ist eine Protestgeschichte: Die Weihnachtsgeschichte ist eine schöne Geschichte, aber wir sollten nicht vergessen, dass die Welt, in die diese Geschichte gestellt wird, voller harter Gegensätze steckt. Sie stehen nicht im Vordergrund, aber sie sind nicht zu übersehen. Und: Gott nimmt in diesen Konflikten Partei. Maria singt in ihrem Lied, als sie weiß, dass sie ein Kind erwartet: (LK 1,52-53) Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“ Es geht um oben und unten – damals und heute. Die Weihnachtsgeschichte erzählt das alles nüchtern und doch mit einem Apell im Namen Gottes: Macht und Besitz können Menschen hartherzig und grausam machen. Von Liebe ist im Kaiserpalast in Rom, in der Festung des Herodes, an den Wohnungstüren von Bethlehem keine Spur. Die Botschaft an die Mächtigen und Besitzenden in Politik und Wirtschaft, an uns ist unüberhörbar: Widersteht der Versuchung der Macht, öffnet eure Herzen, eure Türen. Seht doch hin, was den Menschen geschieht. Seht genau hin. Gott will das so! Die Weihnachtsgeschichte protestiert im Namen Gottes gegen die Versuchungen der Macht und stellt sie in den Dienst der Menschen.

Sie ist eine Hoffnungsgeschichte: Gott kommt zur Welt. Weihnachten lässt uns unseren Blick auf die Hoffnungszeichen richten. Es gibt Hoffnung – es kann sich etwas ändern. Es gibt Hoffnung – ich kann es ertragen, werde nicht daran zerbrechen. Es gibt Hoffnung – ich kann etwas tun. Hören wir es heute noch, wenn wir in unseren Dunkelheiten sitzen: Euch ist heute der Heiland geboren. Die Weihnachtgeschichte erzählt: Wer in der Dunkelheit und im Schatten des Todes sitzt, darf darauf hoffen, dass sich der Himmel öffnet, einen Spalt breit wenigstens. Und dann hört er: Euch ist heute der Heiland geboren.

Das ist die Weihnachtsbotschaft an die Erschöpften, Verzweifelten, Leidenden und an die Kämpfenden, die schon fast aufgegeben haben, an uns alle. Das gibt Kraft. Es gibt einen Namen dafür: Resilienz – die Fähigkeit, in unmöglichen Herausforderungen bestehen zu können, ohne zu zerbrechen. Wer die Botschaft der Engel hört und sie sich zu Herzen nimmt, gewinnt diese Eigenschaft, die immer wieder zum Staunen bringt. Wir staunen, wenn es Menschen gelingt, in unmöglichen Umständen Mensch zu bleiben – es gibt in der Gegenwart und in der Geschichte unzählige Beispiele dafür, uns fällt allen etwas dazu ein – und wir dürfen darauf hoffen, dass wir einmal über uns staunen werden, wie wir das schaffen oder wie wir das geschafft haben.
Bodo Köster